DIE GESCHÜTZTEN MÄNNER
Internationaler Frauentag
Eine knallige Film-Groteske als utopischer (?) Gegenentwurf zur virilen Realität anläßlich des internationalen Frauentags in Zusammenarbeit mit Amnesty International
Ein Typ im Park glotzt den Frauen hinterher, packt eine an, packt die nächste an, dann verwandelt er sich in einen Werwolf und stirbt an Geilheit. Das Lustige ist, dass er eine Klaus-Kinski-Frisur trägt. Er ist Patient Null einer neuen Viruserkrankung, die Männer befällt, genauer: Männer, bei denen sich Testosteron und Macht vereinen.
Das Ganze geschieht kurz vor der Bundestagswahl, und die FEM-Partei – Feministisches Ensemble von Minderheiten – darf hoffen, erneut über die Fünf-Prozent-Hürde zu springen. Der Parteitag zeigt einen bunten Haufen von Frauen, während die Regierung ganz grau daherkommt. Dass der Kanzler die neue Epidemiegefahr herunterspielt, sie passt ihm halt nicht in den Kram, ist kein Wunder. Und dass er ein sexistisches Schwein ist, dies wiederum ist dem starken satirischen Einschlag geschuldet, den Irene von Alberti ihrem krassen, quasi postfeministischen Knallbuntbonbon Die geschützten Männer mitgibt.
Die Handlung ist halb Polittheater, halb Feminismuskabarett, halb Gesellschaftsessay. Die Gestaltung ist überzogen, wo es geht, mit Superbehaarungssymptomen, allenthalben Phallusformen, gelegentlichen Fetischelementen und einigen geradezu derben Überraschungen. Wobei das Derbe natürlich Absicht ist, so wie der Film auch vor einigen trashigen Momenten nicht zurückscheut, oder davor, seine vielleicht budgetär, vielleicht Corona-begründete Einfachheit offen herauszustellen. Wo Menschenmassen sind, zeigt er Menschenhäufchen, wo die großen Gebäude der Macht sind, zeigt er kleine Betonecken und Spielwiesenzimmer.
Nach der Wahlparty jedenfalls befällt es auch den Kanzler (Godehard Giese in doller Mieslingsform), in den News ist das volle Video zu sehen, wie er mit absurd hervorstehendem Schwanz ins Jenseits übergeht. Die Männer werden evakuiert – das Machtvakuum nutzen Anita Martinelli (Britta Hammelstein) und Sarah Bedford (Mavie Hörbiger), die FEM-Vorsitzenden. Sie besetzen die Zentren der Regierung, ein rascher und eher spontaner Coup, mit Sarah als Kanzlerin und Anita als Innenministerin. Und was bisher als großer Spaß daherkam, in dem die Politik von toxischer Männlichkeit umgestülpt wird, das entwickelt sich allmählich zum komplexen Machtvexierspiel. Denn Sarah wird bald von der Manie der Hybris befallen, und zusammen mit der Gesundheitsministerin, die an ihrem Lieblingsprojekt der Parthenogenese-Forschung hängt, plant sie den Austausch der Männer durch geschlechtslose Wesen, die man schützen muss, vor allem aber unten halten kann.
Das ist nicht schlecht aufgebaut: Der Totalitarismus des Patriarchats wird durch einen anderen ausgetauscht, der eine Weiterentwicklung der Machtverhältnisse unter umgekehrten Vorzeichen ist, zugleich auch eine (durchaus verständliche) Rachefantasie nach vieltausendjähriger Unterdrückung sowie auch eine Art Spielplatz für Sarah und ihre Frauschaften, die sich jetzt mal im Kanzleramt austoben. Geschützt sind die fünf Männer, die im Labor draußen im Wald forschen. Geschützt vor dem Außen, aber auch gefangen, und vor allem Spielball der Macht. Weil sie, wie könnte es anders sein, sabotiert werden, von denen, denen die Verhältnisse passen – in diesem Fall von den Frauen an der Macht.
Anita Martinelli erscheint als die große Aufrechte, die aber mit ihrem Status auch erstmal umzugehen lernen muss, und von der Seitenlinie spielt Hilda Helsinki-Pfeiffer rein, von Bibiana Beglau als fitnesswilde, kapitalistische, sexaggressive Pharmaunternehmerin gegeben, die macht, was sie will, weil sie das Geld hat. Eine Schlankheitspille hat’s ihr eingebracht, bis die dann vom Markt genommen werden musste. Die leeren Laborkapazitäten will sie zur Produktion eines Antiserums nutzen, wegen der Männerkörper, die nicht verloren gehen sollen, und natürlich wegen ihres Kontostandes.
Die große Komplexität, die Alberti angelegt hat, ist bewundernswert, geht aber auf Kosten der Übersichtlichkeit und der Stringenz. So lustig übervoll alles aussieht, so wenig Abwechslung bietet die Szenerie denn schlussendlich doch. Unterhaltend ist der Film dennoch, und auf bizarre Art auch nachdenkenswert. Der Dualität von Patri- und Matriarchat jedenfalls, die beide an der Macht hängen, setzt der Film die schöne Utopie einer neuen Gesellschaft entgegen, die hier wahr werden will. Für die aber erstmal einiges kaputtgehen muss. (kino-zeit.de)